Ein Tool, das die richtigen Journalist:innen zu meiner Story findet? Will ich ausprobieren! Das war der Impuls, als ich von The blinq gehört habe. Gesagt getan: Ich durfte das Tool vorab testen und teile hier meine Erfahrungen mit euch.
Ist die Pressemeldung tot? Wie Unternehmen zu Medien werden
Heute wird es ausführlich! Vor wenigen Tagen habe ich die 9. Social Media Tagung in Berlin besucht, Titel war diesmal „Brand Journalism“. Im Kern ging es um das Verhältnis von selbst- und fremdveröffentlichten Inhalten und die Rolle der Kommunikatoren. Kurz: Ist die Pressemeldung tot und werden Organisationen jetzt alle zu Medienunternehmen? Hier ein paar Eindrücke:
Wem vertrauen die Menschen?
PR-Sprache ist out. Das Gefühl hat man zumindest, wenn immer wieder das Edelman Trust Barometer mit der Aussage zitiert wird, dass das Vertrauen in PR-Menschen und auch CEOs nicht sonderlich hoch ist. Die sogenannten „Peers“, also Menschen wie du und ich, genießen das höchste Vertrauen. Hinzu kommt ein gestörtes Sender-Empfänger-Verhältnis von PR und Journalismus. So gibt es laut Thomas Mickeleit von Microsoft Deutschland in den USA keinerlei Printprodukte mehr zum Thema IT. Es sind also weniger Medien, die immer mehr professionellen PR-Beratern gegenüberstehen. Nun könnte man sagen: Die Medien wandern halt ins Netz! Das Problem: Dort werden nicht die journalistischen Bereiche ausgebaut, sondern oftmals eher kommerzielle Serviceinhalte präsentiert.
Storytelling statt Pressemitteilung
Was heißt das jetzt? Es heißt, dass es schon jetzt nicht mehr ausreicht, einfach eine Pressemeldung zu meinem neuen Service an möglichst viele Empfänger zu senden. Besser ist laut Mickeleit ein Dreiklang aus den sogenannten Paid Media, Earned Media und Owned Media. Letzteres ist im Grunde eine modere Neuauflage von Corporate Publishing. Bei Microsoft gibt es dazu sogenannte „Content-Captains“. Diese autarken Themenexperten kümmern sich explizit um einen bestimmten Contentbereich und sorgen in Zusammenarbeit mit dem „Channel-Captain“ dafür, dass die Inhalte ihren Weg in die über 130 Social Media Kanäle von Micosoft finden. Beispiel wäre ein „Themenexperte Datenschutz“, der rund um diesen Bereich Inhalte sammelt, aufbereitet und zur Verfügung stellt. In einem sogenannten Content-Hub stellen die Mitarbeiter ein Angebot an Inhalten zur Verfügung. Dieser Pool steht unter dem Motto „Alles was hier drin liegt, kannst du nehmen und adaptieren“. Über allem steht dann eine „Content Governance“, die für Orchestrierung der Botschaften sorgt. Auch ein Chef vom Dienst (CvD) ist vorhanden, es sieht also schon sehr nach professionellem Medienunternehmen aus, was da bei Microsoft stattfindet. Content Marketing als Ergänzung (!) klassischer Pressearbeit.
Authentizität als Währung für Erfolg
Wenn es nun die PR-Sprache nicht ist, was ist es dann? Es ist die Sprache aller Mitarbeiter im Unternehmen! Der Daimler Blog gilt als gelungenes Beispiel dafür. Uwe Knaus erklärt den Erfolg in seinem Vortrag mit der Authentizität der Beiträge. Hier schreiben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt und ohne, dass am Ende die PR-Abteilung nochmal dran schleift. Das heißt auch, dass der Ingenieur eben schreibt wie ein Ingenieur. Gradlinig von Anfang bis Ende, kein Schnörkel, kein PR-Gedöns – das kommt an. 40.000 Visits im Monat kann der Blog aufweisen. Er zeigt die Geschichten hinter den Werkstoren und sucht (ähnlich wie ein Journalist) die Story hinter der Nachricht.
So erhielt ein Artikel zum Thema „75 Jahre Werk in Bremen“ über 15.000 Klicks. Warum? Weil hier ein Mitarbeiter, der schon 30 Jahre im Unternehmen ist, seine ganz eigene Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die erzählt wie das Gehalt früher noch wöchentlich und tatsächlich in einer Lohntüte ausgezahlt wurde. Eine persönliche Story die Spaß macht. Und wenn Daimler über den Hilfstransport nach Syrien schreibt, dann schreibt den Beitrag der Daimler-Mitarbeiter Moustafa Jamo, gebürtiger Syrier aus der Nähe von Aleppo. Kein PR-Mitarbeiter kann diese Geschichte so authentisch erzählen wie Moustafa. Daimler vertraut an dieser Stelle in seine Mitarbeiter und vermittelt ihnen mit dieser Eigenverantwortung ein hohes Maß an Wertschätzung. Auch die Fotos folgen dem Konzept: Sie sind professionell aber natürlich. Es sind keine ausgeleuchteten PR-Bilder, sondern Fotos der Menschen die bei Daimler arbeiten.
Wichtig bleibt die Botschaft
Auch wenn Unternehmen mehr und mehr selbst zu Publizisten werden, wichtig bleibt die Botschaft! Was will ich eigentlich sagen und bewirken? Wenn ich für meinen Syrien-Hilfstransport mehr Fahrer benötige, dann muss ich vielleicht die Ängste bei potentiellen Fahrern abbauen. Hier bringt eine Pressemeldung „Daimler fährt mit 10 LKWs nach Syrien“ nichts. Die Story braucht mehr, sie muss von den positiven Gefühlen der Fahrer berichten, wenn die Hilfsgüter die Menschen erreichen. Sie muss Sicherheitsaspekte ehrlich benennen und den Weg der bisherigen Fahrten nachzeichnen. Kurzum: Sie muss diejenigen berühren, die es betrifft.
Conrad Giller zeigt in seinem Vortrag die Grundzüge des Storytellings: Jede Geschichte braucht einen Helden! Einen Helfer! Einen Spannungsbogen! Unternehmen müssen sich überlegen, wer welche Besetzung übernimmt. Ist der Kunde der Held? Kann ich als Unternehmen vielleicht der Helfer sein?
Diese Geschichten können dann durchaus auch den Weg in die Massenmedien finden. So wie das Amnesty Programm des Waldorf Astoria Hotels in New York. Die Geschichte: Erzählt uns warum ihr den oder den Gegenstand aus dem Hotel habt mitgehen lassen und gebt ihn zurück. Wir bestrafen euch nicht, sondern sind an den Geschichten dahinter interessiert. Die Welt berichtet damals:
Ob Silberlöffel, Kleiderbügel oder gar eine Tür: Im New Yorker „Waldorf Astoria“ kann man zurückgeben, was man einst geklaut hat – ohne Strafe. Das „Amnestieprogramm“ stößt auf ein gewaltiges Echo
Das Hotel hatte es geschafft eine Geschichte zu erzählen.
Der Blog als redaktioneller Kern
Es gab viele weitere Vorträge verschiedener Unternehmen. So berichtete Christian Buggisch von DATEV über die drei verschiedenen Datev-Blogs für die drei Zielgruppen Steuerberater, Mittelstand und Arbeitnehmer. Was allen Vorträgen gemein ist: Der Blog wird als redaktioneller Kern genutzt. Dies ist gut, weil man hier Herr der eigenen Daten ist. Während Facebook seinen Edge-Rank ständig ändert, liegt der Blog auf meinem Server – ich mache die Regeln. Ein Blog gibt Einblick in die menschliche Seite von Unternehmen und kann zusätzlich auch ganz praktische Kommunikationsmechanismen nutzen. So verlängert er die Nutzungszeit über den Feierabend hinaus. Buggisch berichtet, dass die Unternehmenswebseite hauptsächlich zu den Arbeitszeiten abgerufen wird – der Blog aber wird dann abends auf der Couch gelesen. Und technisch? WordPress wird immer wieder als gutes System fürs Blogs genannt, es ist leicht zu bedienen und bietet eine ideale Optimierung für Suchmaschinen.
Es muss nicht immer Coca Cola sein
Auch ein Einblick in die Coca Cola Zentrale wurde gewährt. Dort hat man das Thema Content Marketing perfektioniert, die bestehende Unternehmenswebseite wurde durch ein eigenes Magazin ersetzt. Coca Cola schreibt nun nicht mehr über sich selbst, sondern agiert wie eine Bildzeitung für junge Menschenh als Redaktion mit Themen, die die die Zielgruppe interessieren. Unter http://www.coca-cola-deutschland.de kann man sich das ganze anschauen. Es ist beachtlich, was das Team dort auf die Beine stellt, die Zugriffe sind deutlich höher als die Klickzahlen der klassischen Firmenwebseite.
Für kleine Unternernehmen ist das sicher ein Schritt zu viel. Die Grundidee, auf Themen statt Produkte zu setzen, kann jedoch jeder umsetzen. Eine Gärtnerei kann ein kleines Portal zur Pflanzenkunde erstellen, ein Bestatter kann einen Blog rund um das Thema Sterben und Trauern aufsetzen. Wer Experte im Steuerrecht ist, gibt in seinem Blog die aktuellsten Steuertipps und Gesetztesänderungen weiter, und positiniert sich so als Experte in seinem Aufgabengebiet. Das alles braucht keinen komplexen Redaktionsplan, aber einen Pool aus Ideen und ein paar Gedanken welche Themen zu welcher Zeit Sinn machen.
Fazit: Alles bleibt anders
Was heißt das jetzt alles? Es heißt, dass Unternehmen vermehrt auf eigene Kanäle setzen und der Journalist mancherorts als Gatekeeper an Bedeutung verliert. Es heißt jedoch nicht, dass die Pressemeldung tot ist oder das eine das andere ersetzen kann. Aber wie es der Kollege von Microsoft sagte: „Wir haben die Pressemeldungen deutlich reduziert“ – Man spricht also nur noch, wenn man wirklich was zu sagen hat. Das schont nicht nur die Mailboxen von Journalisten, sondern verschafft eigenen Botschaften auch mehr Aufmerksamkeit, weil nur noch die wirklich relevanten Meldungen an die Presse gehen. Für all die Geschichten drumherum, die interessanten Stories der Menschen hinter den Werkstoren, die Expertenbeiträge und kuriosen Ereignisse, gibt es zunehmend eigene Kanäle. Der Blog als redaktionelles Zentrum und die Social Media Kanäle als Multiplikationsmittel für meine hochwertigen Inhalte. Es fällt als nicht wirklich etwas weg – es kommen neue Kommunikationswege hinzu.
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