Irgendwie dachte man in Sachen Social Media: Was soll da noch Neues kommen, haben wir…
Mehr Kooperation: hostwriter.org soll Recherche für Journalisten erleichtern
Gespart wird überall, auch und gerade im Journalismus. Freie Journalisten* müssen vor allem bei internationalen Recherchen immer häufiger auf Stipendien und andere Finanzierungsquellen zurückgreifen, manchmal sogar aus eigener Tasche draufzahlen. Die drei Journalistinnen Tamara Anthony, Tabea Grzeszyk und Sandra Zistl wollen das mit der neuen Plattform hostwriter.org ändern. Das soziale Netzwerk bringt Journalisten weltweit zusammen: Kooperation statt Ellenbogen ist das Motto der drei Gründerinnen.
Wie in jedem sozialen Netzwerk, haben auch die Mitglieder von hostwriter.org ein Profil. Die Informationen sind jedoch explizit auf das Vorhaben ausgerichtet: Woher komme ich? Wo befinde ich mich gerade? Welche Sprachen spreche ich? An welchem Thema arbeite ich gerade? Wie kann ich selbst anderen Journalisten helfen?
Die Hilfe beginnt schon bei einem Schlafplatz, wobei hostwriter.org viel mehr bietet, als nur Couchsurfing für Journalisten. In einem fremden Land kann der Kontakt zu einheimischen Journalisten Gold wert sein. Tipps zu Ansprechpartnern, Orten oder der aktuellen Sicherheitslage vereinfachen die Arbeit vor Ort deutlich. Im Vordergrund steht das gemeinsame journalistische Interesse, nicht die Angst, dass mir jemand die Story klaut.
hostwriter.org ist als Non-profit- Organisation gegründet worden und für die Mitglieder kostenlos. Einzige Voraussetzung ist, dass man als Journalist tätig ist. Wer schon in einem journalistischen Verbund wie etwa dem „netzwerk recherche“ angemeldet ist, kann sich ganz einfach akkreditieren. Alle anderen müssen Arbeitsproben als journalistischen Nachweis vorlegen. Hostwriter.org nimmt explizit auch Blogger auf, wenn der Blog einen journalistischen Hintergrund hat.
Der Startschuss für die neue Plattform soll am 07.05.2014 auf der re:publica 14 in Berlin fallen. Über die Webseite www.hostwriter.org findet ihr alle Informationen zu dem Netzwerk.
Die drei Gründerinnen: Tabea Grzeszyk, Sandra Zistl und Tamara Anthony
Ich habe Tamara Anthony, eine der Gründerinnen, zum Interview getroffen.
Können Sie die Idee, die hinter hostwriter steht, in wenigen Sätzen beschreiben?
Journalisten sind oft Einzelkämpfer – obwohl sie es gar nicht müssen. Besonders wenn man über Ländergrenzen hinweg recherchiert, gibt es oft gar keine Konkurrenzsituation mit den einheimischen Kollegen. Gleichzeitig sind in einer solchen Situation Kontakte zu Journalisten vor Ort extrem hilfreich. Die Plattform hostwriter.org soll diese Kontakte ermöglichen! Hier können Journalisten Kollegen an konkreten Orten und zu konkreten Themen finden. Und für alle die wollen: man kann auch seine Couch für eine Übernachtung zur Verfügung stellen oder selbst bei einem Kollegen übernachten.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Eine von uns drei Gründerinnen war mal mit Couchsurfing unterwegs und hat gemerkt, wie viel mehr man von einem Land mitbekommt, wenn man nicht etwa in einem Hotel übernachtet, sondern bei Einheimischen. Wenn man dann noch bei Journalisten unterkommt, könnte man sogar zusammen Geschichten recherchieren! Die Idee eines „Couchsurfing für Journalisten“ war entstanden. Dann haben wir in den letzten Monaten bei Gesprächen mit Kooperationspartnern festgestellt, dass wir noch viel mehr bieten könnten: eine Plattform, auf der sich auch Journalisten zusammenfinden können, die an gleichen Themen arbeiten, oder die bei anderen Journalisten eine Hilfestellung suchen. Es gibt daher die Möglichkeit, nicht nur nach Orten, sondern auch nach Themen und Expertise zu suchen! hostwriter.org ist ursprünglich ein Projekt des Vereins journalists.network, in dessen Vorstand wir drei Gründerinnen auch alle sind. journalists.network fördert junge Journalisten bei der Auslandsberichterstattung, vor allem organisieren wir Recherchereisen in Länder, in die man alleine als Journalisten nicht so leicht fahren kann. Diese Reisen haben gezeigt: es gibt eine große Bereitschaft unter Journalisten, sich gegenseitig zu helfen und zu kooperieren. Dies wollen wir nun mit hostwriter.org noch ausbauen!
Wie fällt die Resonanz bisher aus?
Bisher sind wir auf sehr viel Interesse und Zuspruch gestoßen. Noch kann man sich ja gar nicht einloggen, das beginnt erst nach dem Launch am Mittwoch Vormittag. Trotzdem wurden wir schon von Journalisten im In- und Ausland interviewt, zu Konferenzen eingeladen, auf Facebook liken uns schon über 600 Menschen. Manchmal galt es jedoch ein Missverständnis aus dem Weg zu räumen: Die Mitgliedschaft bei hostwriter ist kostenlos und die Kontaktaufnahme mit Kollegen aus aller Welt ebenfalls. Doch wenn man gemeinsam an einer Geschichte arbeitet, müssen natürlich auch die Honorare verhandelt werden – wie überall sonst auch. hostwriter ist keine Plattform für „Null-Euro-Journalismus“, sondern eine Plattform für kollaborative Recherche, über die man Kollegen weltweit finden kann. Wir sind sehr gespannt, welche Geschichten dabei entstehen werden.
Wie wird das Projekt finanziert?
Wir arbeiten alle drei ehrenamtlich und verdienen unser Geld in unserem Hauptjob, als Journalistinnen. Wir haben uns bewusst als gemeinnützige Unternehmergesellschaft gegründet. Aber dadurch hat kein Finanz-Investor ein Interesse, uns Geld zu geben – schließlich werden wir nie Gewinne ausschütten. Wir sind vor allem auf Stiftungen angewiesen. Bisher gibt es Geld von der Rudolf Augstein Stiftung, dem vocer Innovation Medialab, der Medienstiftung Hamburg/Schleswig Holstein und ein Beratungsstipendium und pro bono Rechtsberatung von startsocial e.V. Langfristig hoffen wir, auch zahlende Mitglieder zu haben – etwa Verlage oder Fernsehsender, denen dann vielleicht auch ein erweitertes Angebot zur Verfügung steht. Sicherlich sind wir dann aber auch weiterhin noch auf Spenden angewiesen.
*es ist immer auch die weibliche Form gemeint. Zur besseren Lesbarkeit wurde hier aber auf eine entsprechende Schreibweise verzichtet.
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare