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PR-Analyse: Neckermann wirbt mit eigener Insolvenz

„Insolvent. Na und? Sie wollen schließlich kein Geld bei uns bestellen, sondern Ware“. Unter anderen mit diesem Statement überrascht der Versandriese Neckermann gerade auf seiner Webseite. Den eigenen Untergang offensiv feiern, kann das gut gehen? Aus PR-Sicht scheint diese Form des Galgehumors höchst erfolgreich zu sein. Ob bei Twitter, Facebook, auf den großen Nachrichtenseiten wie BILD, Spiegel Online, Heute.de , Frankfurter Rundschau oder auf Medienportalen wie Kress und W&V  – fast alle Medien nahmen die Meldung auf und bedachten Neckermann so mit einem Maximum an Aufmerksamkeit. Über 17.000 Google-Ergebnisse innerhalb der letzen 24 Stunden allein in Newsportalen sprechen für sich.

Selten scheint der Spruch, auch negative PR sei PR so gut aufzugehen wie in diesem Beispiel. Obwohl in allen Medienbeiträgen von der Insolvenz Neckermanns die Rede ist, sind viele der Artikel von der Valenz her positiv zu bewerten. „Neckermann geht das Thema offensiv an“, „So eine kleine Insolvenz kann Neckermann nicht erschüttern.“ oder “ Neckermann trägt’s mit Humor“ sind nur einige Zitate aus den Online-Artikeln großer Medienportale. Auch die Stimmen in den sozialen Medien bestätigen das Bild. Virtueller Beifall kommt  hier in Form von Kommentaren wie „Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Danke, Neckermann. „ oder „Herrlich – selbstironie bei Neckermann.“ Die Agentur Ogilvy, die sich für die Kampagne verantwortlich zeichnet, hat also sehr gute Arbeit geleistet und entsprechend Aufmerksamkeit generiert. Ich habe mir die Chancen und Risiken einer solchen Kommunikation einmal angeschaut.

Chancen

Die kommunikative Offensive Neckermanns zeigt, dass autenthische Kommunikation ankommt. Die Erkenntnis, dass Scheitern zum Leben gehört, macht die Marke in diesem Moment menschlicher. Die Tatsache, dass hier über 2.000 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen gerät in den Hintergrund, der Mut von Neckermann anders mit so einer Krise umzugehen als es die Menschen gewohnt sind, wird belohnt. Die Reaktionen sind deswegen positiv, weil sich viele mit dem Scheitern identifizieren können, das Unternehmen unterbricht die sonst üblichen Standardmeldungen mit Humor und nimmt sich selbst an der Stelle auf die Schippe. Dass dies aus purer Existenzangst heraus entsteht, ist in diesem Moment egal, die Offensive ist quasi der letzte verfügbare Stromhalm den Neckermann gut für sich genutzt hat. Aufmerksamkeit ist ihnen gewiss.

Risiken

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass so eine Kampagne natürlich nicht risikofrei ist. Schaut man auf die Neckermann-Facebookseite so wird auch deutlich warum. Hier diskutieren User und Kunden recht emotional ob Neckermann die Pleite aufgrund von Schlechtleistung denn nun verdient hat oder nicht. Es kommen zudem auch Multiplikatoren zu Wort, denen das Thema zu ernst ist, um es derart humorvoll anzugehen. So schreibt etwa der Spiegel, dass „man mehr brauche als nur Humor um Neckermann zu retten“ […].

Letzlich muss Neckermann auch schauen, dass die Kommunikation widerspruchsfrei bleibt. Wenn man sagt, dass die Kunden ja Ware und kein Geld bestellen wollen, so wird aber auch klar, dass ein Wareneinkauf ohne Geld zukünftig kaum mehr möglich sein wird, erinnern wir uns doch noch recht frisch an die leeren Schlecker-Regale vor wenigen Monaten.

Fazit

„Mutig“ lautet das Fazit der aktuellen Neckermann-Kampagne. Man kann den Erfolg einer solchen Kampagne nicht vorhersagen, rein quantitativ auf die Medienleistung bezogen war es ein genialer PR-Coup. Ob dieser jedoch nachhaltig anhält und wirklich Vertrauen schafft, darf bezweifelt werden. Was positiv auffällt: Unternehmen die sich menschlich geben, die Fehler und Scheitern zugeben und damit offensiv umgehen. Diese Form der Authentizität kommt bei den Menschen an, wird sie doch in einer oft als kalt empfundenen Wirtschaftswelt zunehmend vermisst. Die Form der Solidarität („ach ja, das mit dem wenig Geld in der Tasche kenn ich ja“) zeigt, dass Neckermann einen Nerv getroffen hat.

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