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Einmal WLAN-Pflaster bitte! Oder: Wie ich von der Internet-Sucht wegkommen will


Da stehe ich nun in der hiesigen Apotheke und bestelle eine Packung WLAN-Pflaster. Soweit musste es nach all den Jahren Internetsucht ja irgendwann kommen. Angefangen hat alles mit  14. Damals war jeder im Internet, am Anfang weil es eben cool war, später kam ich nicht mehr davon los.

Früher ging ich noch ohne Feuerwand und Filter ins Internet, wir haben die Kabel noch selbst gedreht. Schon damals haben die Lehrer versucht, uns abschreckende Beispiele zu liefern. So besuchten wir im Rahmen eines Projektes den Rechnerraum der Informatikstudenten an der Technischen Universität Berlin. Dort haben wir sie dann gesehen, die verlorenen Seelen. Blass und mager hingen sie vor Ihren Kisten. Ein paar Mädchen konnten den Anblick nicht ertragen und mussten den Raum verlassen. Die Hardcore-Surfer unter uns jedoch hat selbst dieses Leid nicht abgeschreckt.

Heute ist alles noch viel komplizierter. Auf Routern kleben inzwischen abschreckende Bilder von verformten Mausfingern und gekrümmten Rücken. Darunter steht in fiesen Lettern „Internet kann tödlich sein“. Immer mehr Internet-User können ihrer Leidenschaft nicht mehr frei nachgehen. Man hat spezielle „Internet-Cafés“ und „WLAN-Zonen“ eingerichtet, um die Nichtsurfer zu schonen. Aber ich bin keinesfalls allein mit meiner Sucht. Wenn man im Flugzeug auf die Toilette geht, riecht es immer öfter nach Elektrosmog, kurz nach dem Ausstieg hetzen Manager und pubertierende Teenager gleichermaßen ins Terminal und gönnen sich in einer Ecke ein paar Kilobytes. Am Arbeitsplatz sehe ich Kollegen die den Monitor heimlich zur Seite drehen, nur um ein paar Sekunden Facebook zu inhalieren. Es wird von Männern berichtet, die mit dem Satz „Schatz, ich hol gerade noch eine Packung Domains“ das Haus verließen und niemals wiederkamen.

Natürlich gibt es auch verantwortungslose Zeitgenossen, die durch passives Surfen andere gefährden. Da werden dubiose Webseiten aufgerufen, obwohl Kinder im Raum sind. Auch das lässige Surfen im Auto auf der linken Spur bei Tempo 180 kann niemand gutheißen.  Ich bin durch die vielen Nörgeleien und Belehrungen meiner Mitmenschen auch schon fast geneigt, ganz aufzuhören. Deren Argumente sind natürlich nicht ohne:  Nach einem Tag ohne Internet soll das Herzinfarktrisiko rapide abnehmen,  nach zwei Tagen ohne Bild-Online soll sich der Geschmackssinn deutlich verfeinern. Am dritten Tag soll sich die Atmung deutlich verbessern, wahrscheinlich weil man sich erstmals wieder außerhalb geschlossener Räume aufhält.

Es ist ja nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Ich habe mir Bücher gekauft mit Titeln wie „Internetfrei in 30 Tagen“, sogar Hypnose habe ich ausprobiert. Dabei wackelte ein Herr mit grau meliertem Haar beständig mit einer Computermaus vor meinen Augen herum und säuselte „Deine Augen werden ganz schwer, du spürst deinen rechten Zeigefinger nicht mehr… wenn du aufwachst, wirst du alle im Firefox gespeicherten Chroniken vergessen haben“. Kaugummis mit Youtube-Geschmack habe ich gekaut bis zur Urheberrechtsverletzung – Nichts. Mein letzter Versuch sind nun diese WLAN-Pflaster. Sie geben wohl alle 15 Minuten ein paar Kilobyte an Daten ab, was für ein angenehmes Grundrauschen im Körper sorgen  und den Facebook-Stream simulieren soll. Ich bin gespannt.

Bildnachweis: © stimmungsvoll – Fotolia.com

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